15.07.2022
Arbeiten als Bezugsperson: Die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger
Christoph Jerabeck hat sich im Jahr 2000 für eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der KJF Klinik Josefinum in Augsburg entschieden. Mittlerweile ist er zusätzlich für das Deeskalationsmanagement an den Standorten des Josefinum in Augsburg, Kempten und Nördlingen zuständig. Obwohl die Ausbildung bei Christoph Jerabeck schon etwas länger zurückliegt, weiß er noch ganz genau, wieso er sich für die Ausbildung in Augsburg entschieden hat und was den Beruf für ihn besonders macht.
Den Begriff Heilerziehungspflege haben die meisten Menschen schon einmal gehört. Trotzdem ist vielen nicht wirklich klar, was Heilerziehungspfleger:innen eigentlich machen. Worum geht es in dem Job?
Christoph Jerabeck: Der Beruf in der Heilerziehungspflege kommt ursprünglich aus der Hilfe für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger können aber in vielfältigen Bereichen eingesetzt werden. Ich habe meine Ausbildung zum Beispiel in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Josefinum in Augsburg absolviert. Generell arbeiten Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, in Kinder- und Heilpädagogischen Tagesstätten oder in Schulen. In dem Beruf geht es in erster Linie darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Das heißt, mit den Patientinnen und Patienten in Beziehung zu treten, sich für ihre Belange einzusetzen und ihnen Hilfestellungen zu geben, damit sie im Alltag besser und weiter vorankommen.
Warum haben Sie sich für die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger entschieden?
Christoph Jerabeck: Ich habe damals meinen Zivildienst geleistet und bin danach im sozialen Bereich hängengeblieben. Mir war es wichtig, direkt mit Menschen zu arbeiten, weshalb ich mich bewusst gegen ein sozialpädagogisches Studium und für die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Josefinum entschieden habe. Das Josefinum bietet hervorragende Rahmenbedingungen für unsere Arbeit. Das Teamwork ist hier sehr ausgeprägt – das ist extrem wichtig in unserem Beruf.
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag als Heilerziehungspfleger aus?
Christoph Jerabeck: Grundsätzlich wird in der Klinik im Schichtsystem gearbeitet. Das heißt, man wird entweder in die Früh-, Spät-, oder Nachtschicht eingeteilt. Im Frühdienst beginnt der Tag mit dem Wecken der Kinder und Jugendlichen. Danach stellen wir Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger das Frühstück bereit und gestalten mit ihnen zusammen den Tagesablauf für sie. Dabei sind sowohl pflegerische als auch pädagogische Tätigkeiten gefragt. Während des Tages begleiten wir die Kinder und Jugendlichen zu Fachtherapien oder beschäftigen uns mit ihrer Alltagsgestaltung. Das kann zum Beispiel ein Ausflug, das gemeinsame Kochen oder ein Kartenspiel sein. Dabei passen wir die unterschiedlichen Angebote an den individuellen Bedarf unserer Patientinnen und Patienten an. Ein Kartenspiel mit einem Autisten, einer ADHS-Patientin oder einem Jugendlichen mit Bindungsstörung muss zum Beispiel jeweils unterschiedlich gestaltet und individuell angepasst werden. Im Alltag als Heilerziehungspflegerin oder Heilerziehungspfleger geht es vor allem darum, eine Bezugsperson für die Patientinnen und Patienten zu sein.
Welche Fähigkeiten muss man für den Job mitbringen?
Christoph Jerabeck: In erster muss man Lust haben, mit Menschen zu arbeiten, das ist Grundvoraussetzung. Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger brauchen außerdem eine hohe soziale und kommunikative Kompetenz. Darüber hinaus muss man die Bereitschaft mitbringen, sich fachlich für die Heilpädagogik zu interessieren – beispielsweise was eine bestimmte Diagnose bedeutet und wie sie sich von Typ zu Typ unterscheidet. Es ist wie eine Entdeckungsreise die Kinder und Jugendlichen kennenzulernen und dabei festzustellen, wer was benötigt.
Was macht den Beruf für Sie besonders?
Christoph Jerabeck: Am Anfang meiner Ausbildung habe ich immer gesagt, dass der Beruf die perfekte Mischung aus Sozialpädagogik und Krankenpflege für mich darstellt. Mittlerweile finde ich, dass der Beruf um einiges komplexer und vielseitiger ist. Die Heilerziehungspflege ist deswegen ein so toller Beruf, weil hier eine bestimmte Haltung zu Menschen vermittelt wird, die nicht für sich selbst einstehen können. Während der Ausbildung erhält man umfassendes Know-how der Heilpädagogik ebenso medizinisches Grundwissen und eben auch viel Menschenbild-Kenntnisse. Daraus ergibt sich eine besondere Wissensgrundlage, mit der ich ganz wunderbar mit meinen Patientinnen und Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie arbeiten kann.
Welchen Herausforderungen begegnen Heilerziehungspfleger:innen in ihrem Berufsalltag?
Nach einer gewissen Zeit habe ich gemerkt, dass das Hilfesystem in Deutschland für die Betreuung nach dem Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht immer das passende Angebot für das individuelle Bedürfnis von Patientinnen und Patienten bietet. Wir arbeiten nach der Entlassung der jungen Menschen zum Beispiel eng mit Jugendämtern, Schulen und Erziehungsberechtigten zusammen. Es kann frustrierend sein, wenn Patientinnen und Patienten durch unsere Arbeit einen positiven Verlauf gewinnen und in einem wesentlich besseren Zustand entlassen werden, dann aber kein passendes Hilfeangebot für die Zukunft finden können.
Jedoch ist es umgekehrt natürlich umso schöner, wenn ich ehemalige Patientinnen und Patienten Jahre nach der Entlassung zufällig begegne und sehe, dass sie einen guten Weg bestritten haben. Das sind besonders schöne Momente die ich als Heilerziehungspfleger erlebe und mir zeigen, dass ich mich für den richtigen Beruf entschieden habe.