25.07.2023
Kleider machen Leute - Die Arbeit in der Damenschneiderei am Staatstheater Augsburg
Ob pompöse Gewänder oder auch mal nur Jeans und T-Shirt - die Kostüme im Theater sind genauso vielfältig wie die Stücke selbst. Seit 2011 ist Franziska Steinhart am Staatstheater Augsburg in der Damenschneiderei tätig und begleitet die Kleidungsstücke auf dem weiten Weg vom ersten Entwurf bis auf die Bühne. Als Ausbildungsleiterin kann sie ihre Freude am Nähen nicht nur selbst ausleben, sondern auch an junge Interessierte weitergeben. Was alles noch zu ihren Aufgaben gehört und warum dieser Beruf für sie immer Neues bereithält, erzählt sie im Interview.
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Dazu gekommen bin ich hauptsächlich durch meine Eltern, vor allem meine Mama. Sie hat früher schon viel genäht, für sich und auch für uns Kinder. Deswegen hatten wir auch eine Nähmaschine zuhause. Das hat dann irgendwann auch mein Interesse geweckt und mich auf die Idee gebracht, gemeinsam mit meiner Mama zu nähen und mir das nach und nach selbst anzueignen. Für den Beruf als Theaterschneiderin habe ich mich entschieden, weil das irgendwie ein bisschen von allem zusammenbringt, was ich gerne mache: Handarbeit hat mir schon immer sehr viel Spaß gemacht und ich kann mich kreativ ausleben. Gleichzeitig kommt es auch auf genaues Arbeiten an. Am Ende zu sehen, dass man etwas Schönes erschaffen hat und sich die Arbeit gelohnt hat, ist ein sehr zufriedenstellendes Gefühl. Der ästhetische Aspekt dieser Arbeit spielt für mich auch eine große Rolle.
Was gehört zu Ihrem Aufgabenbereich?
Als Ausbildungsleiterin bin ich vor allem für die Betreuung der Azubis vom ersten bis zum dritten Ausbildungsjahr zuständig. In der Regel haben wir zwei Azubis pro Jahr, die parallel auch die Berufsschule besuchen. Im zweiten Jahr gibt es eine Zwischenprüfung. Am Ende des dritten Jahres absolvieren die Lehrlinge dann ihre Gesellenprüfung, bei der sie ein vollständiges Outfit anfertigen müssen. Auch die Unterstützung bei der Vorbereitung darauf gehört zu meinen Aufgaben: die Anpassung des Schnitts, das Aussuchen der Stoffe, das Nähen eines Probe-Stücks aus dem gleichen Stoff und vieles mehr. Außerdem achte ich darauf, dass alles in der vorgegebenen Zeit erledigt wird und suche mit ihnen gemeinsam eine passende Ziertechnik aus. Dabei werden sowohl die Handarbeit als auch die Kunst an der Nähmaschine gewertet.
Wie läuft ein gewöhnlicher Tag für Sie ab?
Angepasst an die Berufsschulwochen wird geplant, an welchen Stücken die Azubis mitwirken können. In erster Linie kümmere ich mich dabei um die Schnitte und betreue den Weg des Kleidungsstücks vom Papierschnitt bis hin zum Abstecken in der Anprobe und letzten Änderungen in der Schneiderei und Lehrwerkstatt. Je nach Lehrjahr dürfen die Auszubildenden so viel wie möglich selbst übernehmen und das Stück bestenfalls alleine fertigstellen. Ich betreue ihre Arbeiten, erkläre die Verarbeitungstechniken und Änderungen nach den Anproben.
Welche Fähigkeiten sollte man für dieses Berufsfeld mitbringen?
Es sollte auf jeden Fall eine gewisse Grundkreativität vorhanden sein, genauso wie das Interesse, sich selbst neue Dinge anzueignen. Weil jedes Kleidungsstück erstmal als plattes Stück Stoff auf dem Tisch seinen Anfang nimmt, ist natürlich auch Vorstellungsvermögen wichtig, damit man sein Ziel vor Augen hat. Außerdem sind bei dieser Arbeit viel Fingerspitzengefühl und Übung gefragt. Deswegen sind Geschick und Geduld sehr von Vorteil. Auch wenn mal etwas nicht gleich so funktioniert, wie es sollte, darf man sich davon nicht entmutigen lassen.
Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrem Beruf?
Besonders gut gefällt mir die Vielfalt der Kostüme, an denen ich arbeiten darf. Da wir am Staatstheater sehr viele verschiedene Genres aufführen, ist von Ballettkostümen bis hin zu großen Roben für die Chor- und Opernsänger:innen alles dabei. Diese Abwechslung finde ich toll. Mal designe ich nur einen simplen Netzbody. Ein anderes Mal darf ich vielleicht an ganz imposanten, ausgefallenen Kleidungsstücken arbeiten, die man nicht unbedingt auf der Straße zu sehen bekommt. Für ein Theaterstück haben wir einmal einen Mantel genäht, der aus Teddybären besteht. Bei solchen Sonderanfertigungen muss man sich natürlich auch erstmal die richtige Technik überlegen. Aber genau diese kleinen Überraschungen und die Einzigartigkeit jedes Stückes machen mir besonders Freude. Langweilig wird es nie.
Was hatten Sie sich anfangs anders vorgestellt?
Als ich nur als Besucherin im Theater war, dachte ich immer, dass einfache Kostüme, die nur aus Jeans und T-Shirt bestehen, hinter der Bühne kaum Arbeit bedeuten. Aber das stimmt nicht: An fast jedem einzelnen Kleidungsstück müssen vor der Premiere Änderungen vorgenommen werden, weil meistens die Länge nicht passt oder zumindest der Name eingenäht werden muss. Auch wenn es sich um gekaufte Kleidungsstücke oder Sachen aus dem Fundus handelt, irgendetwas gibt es immer zu tun.
Haben Sie ein Lieblingsstück?
Ein konkretes Stück gibt es nicht, aber bestimmte Arten von Kostümen machen mir besonders viel Spaß. In der Weihnachtszeit führen wir jedes Jahr Märchen für Kinder auf. Die haben meistens sehr bunte und ausgefallene Kostüme, an denen ich sehr gerne arbeite. Vor ein paar Jahren hatten wir zum Beispiel den „kleinen Vampir“ im Programm – das fand ich sehr schön. Ich durfte außerdem schon Fräcke für Frauen nähen, was mir auch sehr gefallen hat, da das nicht so häufig vorkommt. Für die Stücke auf der Freilichtbühne, die immer sehr pompöse Kostüme und ein tolles Bühnenbild haben, schneidere ich ebenfalls sehr gerne.