
23.09.2025 ● Janika Schneider
Zwischen Forschung und Lehre: Karrierewege, Chancen und Herausforderungen an der Uni Augsburg
Mit gerade einmal 40 Jahren hat Katharine Wirsching schon vieles erreicht. Sie ist Akademische Rätin an der Universität Augsburg, wo sie selbst studierte, promovierte und nun auch habilitiert. Von der studentischen Hilfskraft über die wissenschaftliche Mitarbeiterin bis hin zur Dauerstelle hat sie ihren Weg konsequent am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation verfolgt. Heute verbindet sie Lehre mit Forschung, dem Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter und hochschulpolitischer Arbeit – ein vielseitiger Alltag, der ihr sichtlich Freude bereitet.
Woran forschen Sie? Wie sind Sie dazu gekommen?
In meiner Promotion habe ich mich mit Familienunternehmen und Corporate Governance, also guter Unternehmensführung, beschäftigt. Mich interessiert dabei besonders, wie Familien den Erfolg eines Unternehmens beeinflussen – zum Beispiel, ob sie es selbst leiten, eher beratend im Aufsichtsrat tätig sind oder nur noch die Eigentümerrolle übernehmen. Je nach Generation und Lebenszyklus entstehen da ganz unterschiedliche und spannende Konstellationen.
Ein zweites großes Thema, mit dem ich mich befasse, ist Entrepreneurship, also Gründungen. Spannend finde ich die Frage, warum Menschen überhaupt gründen: aus Push-Faktoren (weil sie unzufrieden sind oder keinen Job finden) oder aus Pull-Faktoren (weil sie eine gute Idee haben und eine Chance sehen). Dabei geht es nicht nur um die sogenannten „Unicorns“, darunter versteht man junge Unternehmen (Start-ups), die mit über 1 Milliarde US-Dollar bewertet werden (meist in sehr kurzer Zeit). Der Begriff kommt aus der Venture-Capital-Szene, weil solche Firmen ursprünglich als extrem selten galten, so selten wie Einhörner eben. Ich beschäftige mich auch mit kleineren Gründungen – von der Uniausgründung bis zum Handwerksbetrieb. Genau diese Vielfalt macht das Thema für mich so interessant.
In die Forschung bin ich im Laufe der Zeit eher reingerutscht. Durch die Mitarbeit bei einer studentischen Unternehmensberatung und meine Hiwi-Stelle habe ich gemerkt, wie spannend BWL sein kann, und gerade der Uni-Kontext mit Forschung, Austausch und neuen Kontakten hat mich überzeugt, dass das genau das Richtige für mich ist. Auch mein Forschungsaufenthalt an der Indiana University hat mich sowohl persönlich als auch in der Lehre weitergebracht und ich bin sehr dankbar, diese Möglichkeiten zu haben.
Wie verbinden Sie Ihre internationale Forschungstätigkeit mit Ihrer Arbeit in Augsburg?
Während meines zweimonatigen Forschungsaufenthalts hielt ich zweimal die Woche Vorlesungen und arbeitete mit Studierenden zusammen. Das war eine einmalige Gelegenheit, andere Perspektiven kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. Mit diesen Kontakten kann man dann Forschung auch gut über den Ozean hinweg vorantreiben. Außerdem haben wir seit zehn Jahren eine Summer School, die jedes Jahr in Augsburg stattfindet. Lehrende, Mitarbeitende und Studierende aus Indiana und Bergamo kommen dafür zusammen und forschen gemeinsam. Zweimal konnten wir aus den Forschungsarbeiten sogar Bücher veröffentlichen. Natürlich ist das organisatorisch aufwendig. Aber es lohnt sich, denn die Studierenden profitieren enorm von diesem internationalen Austausch.
2019 wurden Sie mit dem Wissenschaftspreis der Kurt und Felicitas Viermetz Stiftung ausgezeichnet. Welche Bedeutung hatte diese Auszeichnung für Sie persönlich und für Ihre Forschung?
Der Preis hat mich sehr gefreut, weil es dabei um meine erste große Publikation ging – meine Doktorarbeit. Für mich war das eine wichtige Bestätigung. Besonders war auch, dass ich mein ganzes Leben in Augsburg verbracht habe und dieser Preis in meiner Heimatstadt verliehen wurde. Dazu kam ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen und ich wurde zum Beispiel sogar beim Bäcker darauf angesprochen. Aber auch wissenschaftlich war die Auszeichnung wertvoll, weil sie in der Community sehr hoch angesehen ist und die wissenschaftliche Karriere stärkt.
Seit vielen Jahren engagieren Sie sich als Frauenbeauftragte. Welche Entwicklungen konnten Sie an der Fakultät beobachten und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Mir fällt immer wieder auf, dass wir zwar bei den Studierenden noch ein recht ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen haben. Dennoch wird der Frauenanteil in der BWL mit jedem Karriereschritt deutlich weniger. Aktuell beläuft sich die Anzahl auf rund 14% Professorinnen. Das Hauptproblem ist, dass sich insgesamt sehr wenige Frauen bewerben. Der Weg zur Professur ist lang, mit hohem Publikations- und Konkurrenzdruck, oft bis Anfang 40, und er erfordert viel Mobilität. Das fällt genau in eine Lebensphase, in der viele auch Familie planen. Dazu kommt, dass die wenigen qualifizierten Frauen meist mehrere Angebote haben, weil alle Fakultäten mehr Professorinnen wollen.
Es gibt aber auch positive Entwicklungen: Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind in den letzten Jahren leichter geworden, gerade durch die Digitalisierung und flexiblere Arbeitsmöglichkeiten nach Corona. Außerdem setzen wir stark auf Aufklärungsarbeit und Vorbilder. Als ich selbst studiert habe, gab es keine einzige Professorin in meiner Fakultät. Das hat den Eindruck verstärkt, dass es ein Männerberuf ist. Heute versuchen wir, Studentinnen früh zu ermutigen, wie zum Beispiel durch die Einbindung über Hiwi-Stellen, ihnen Einblicke in die Forschung zu geben und sie für eine akademische Laufbahn zu gewinnen.
Als Mitglied im Universitätsrat und in der erweiterten Universitätsleitung haben Sie auch eine hochschulpolitische Perspektive. Wie erleben Sie die Entscheidungsprozesse an der Universität?
Jede Statusgruppe bringt ihre Forderungen ein, es wird in Untergruppen diskutiert, viel verhandelt und am Ende müssen Kompromisse gefunden werden. Besonders prägend war die Arbeit an der neuen Grundordnung der Uni Augsburg. Über Monate hinweg haben wir zwischen sehr unterschiedlichen Interessen vermittelt. Für mich war das eine intensive Erfahrung: Ich habe gelernt, wie wichtig gute Argumente, Geduld und Kompromissbereitschaft sind, und dass Veränderung an der Uni immer ein gemeinsamer Prozess ist.
Welche Tipps würden Sie jungen Wissenschaftler:innen mit auf den Weg geben, die an eine akademische Laufbahn denken?
Es ist entscheidend, sich Themen auszusuchen, die wirklich Spaß machen und zu einem passen. Außerdem braucht man eine große Frustrationstoleranz. Denn Kritik gehört in der Wissenschaft dazu und hilft einem selbst, besser zu werden. Wichtig ist auch, Netzwerke aufzubauen und aufgeschlossen auf Menschen zuzugehen, gerade auf Konferenzen. Meine Erfahrung ist: Mit einer offenen Frage kommt man immer ins Gespräch.